wvs-20170618 201403 Boddenlandschaft zwischen Ribnitz-Damgarten und Stralsund
Zwischen dem Schilf ist es schön. Die Sonne scheint, und fast wirkt es windstill. Hinter einer Biegung der Recknitz bleibt unsere Einsatzstelle in Damgarten zurück. Noch eine Windung, der Bodden kommt näher. Wellen drängen sich in den Fluss. Mir kommt das Nordseegedicht „Trutz, blanker Hans" in den Sinn. Schläft da draußen ein Drache, der mit jedem Atemzug Wassermassen in sich hinein saugt und dann schäumend wieder entlässt?

Noch ein Biegung, höhere Wellen. Ich muss das Paddel jetzt festhalten. Dann liegt der Bodden vor uns, mit Schaumkrönchen. Fünf Beaufort direkt von vorn. Kurze Wellen, Sandboden, man könnte auch aussteigen und laufen, so flach ist das Wetter. Aus elf Paddelkilometern werden fünfzehn, wir schlängeln uns am Schilfrand entlang, suchen jedoch vergeblich nach Windschutz. Froh erreichen wir das Tagesziel, Dierhagen Dorf.

Wind gibt es auch in den nächsten Tagen reichlich. Aber der Wetter-, Meeres- oder Paddlergott ist uns von jetzt an gewogen. Der Wind kommt nun von hinten, schiebt uns ordentlich an. Wenn eine Welle unter meinem Boot durchläuft, hängt der Bug manchmal einen halben Meter über dem Wellental. Ein seltsames Bild. Aber mit einem Breuer links und einem Breuer hinter der Gruppe fühlen wir uns sicher. Was kann uns in dieser Konstellation schon passieren?

Abends sind dankbar für windstille Plätzchen hinter dem Schilf. Wir nächtigen meist auf der Festlandseite vom Bodden, bauen unsere Zelte in kleinen Yachthäfen auf. Schön ist es hier, noch fast so weltvergessen wir anno dazumal. Nur die Sanitärgebäude wirken neu; mit EU-Mitteln erbaut? Meist gibt es eine einzelne Kneipe, und die macht um 17 Uhr zu. Kochen wir also wieder selbst! Trotzdem ist schön, dass es so was noch gibt.

Gemütlich geht es voran, in kleinen Etappen. Zum ersten Mal erschließt sich mir die Schönheit der Boddenlandschaft, ein Mosaik aus Wasser und Schilf. Schwäne dümpeln herum, Seeadler beobachten, was wir treiben. Es gibt gar nicht mal so kleine Inseln wie beispielsweise den „Bock", von denen ich noch nie gehört habe. Am Ausgang des Boddens, vom Aussichtsturm im süßen Örtchen Barhöft, können wir das Vogelparadies überblicken. Rügen liegt rechts, am Horizont ragt Hiddensee auf. Windwatt, Durchfahrten, die Festlandküste. Hier will ich gar nicht mehr weg, denke ich .... acht Stunden später nicht mehr. Ein Orkan hat halb Norddeutschland lahmgelegt. Jetzt entladen sich Blitze direkt über unseren Zelten, Wassermassen krachen gegen die Zeltwände bis ich mich frage, wann die wohl reißen. Jeder Quadratmeter rundherum steht knöcheltief unter Wasser, die kleine Asphaltstraße hinterm Klo ist zum reißenden Fluss mutiert.

Nach einer unruhigen Nacht ist die Welt grau und regenverhangen. Vier Weicheier frühstücken im Café, nur ein sparsames Gruppenmitglied versucht, seine Vorräte plangemäß zu vertilgen. Es wird ihm nicht gelingen, denn am Nachmittag beschließen wir in Stralsund, unseren ganzen nassen Kram einzupacken und einfach nach Hause zu fahren. Adieu, adieu! Den letzten Rest Müsli essen wir nächstes Mal!

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