Am vergangenen Wochenende machten sich trotz Sturm- und Hochwasser-Vorwarnung Martin, Kerstin, Simone, Roya und ich auf den Weg an die Oder, oder besser das weitläufige Oder-Stromtal zwischen Polen und Deutschland.
Statt der geplanten Tour auf dem sturmgepeitschten Oderhaff wurde freitags auf die geschützte Ostoder ausgewichen. Die Windvorhersage lautete 4..7 Bft aus Ost. Also war mit Windschutz am östlichen Oderufer zu rechnen. Wir planten von Hohensaaten bis Schwedt, 25 Km, stromabwärts zu fahren. Bei dem Hochwasser der Oder sollte das eine entspannte Fahrt werden. Die Realität sieht erfahrungsgemäß – und hier natürlich auch! - immer anders aus. Der starke Wind im Odertal drehte auf Norden, so dass er uns frontal entgegenwehte. Es war beeindruckend zu erleben, wie Starkwind gegen Strom auf einem Fluss vergleichbar der Mittelweser, Ostsee-ähnliche Wellen erzeugt.
Start bei Regen und Wind
Nun ja, statt entspannt mit dem Strom zu fahren, mussten wir also die Strecke volle Kraft gegen den Wind anbolzen. Das war nicht jedermanns Vergnügen, zumal der Regen uns fortwährend ins Gesicht peitschte und die nasse Kälte einigen langsam in die Knochen kroch. Das Verlangen nach Wärme und Trockenheit nach so einer Fahrt, war für einige eine erste grenzüberschreitende Erfahrung.
Pause im Regen
Im Stroam-Camp Schwedt wollten wir unser Zeltlager aufschlagen, aber da gab es einige Hindernisse: Die Rezeption war krankheitsbedingt nicht besetzt, der Regen strömte und der Platz war eine große Wasserlache. Dank des Improvisations- und Kommunikationstalents der „Mädchen“, durften wir mit freundlicher Genehmigung eines Vorstandsmitglieds des Wassersportvereins letztlich im Fitnessraum des SSV Schwedt trocken und warm übernachten, und vor allem unsere durchtrieften sieben Sachen trocknen. Unter diesen warm-trockenen Umständen empfindet man die bestellte Pizza und einige Radler dazu wie ein Festessen: was Besseres gibt’s nicht. Schon wieder eine grenzüberschreitende Erfahrung, der in diesem Fall vom super netten Hausmeister des SSV ermöglicht wurde, der uns morgens sogar mit einer Kanne Kaffee verwöhnte. Übrigens machten wir gefühlt auch die Erfahrung, dass die Hilfsbereitschaft der Menschen proportional zur geographischen Lage nach Osten zunimmt. Wenn diese These stimmt, dürften alle Polen wohl sehr nette und hilfsbereite Menschen sein!
Noch heile Baumwelt
Am Samstag gab es dann das nächste grenzüberschreitende Erlebnis. Diesmal jedoch profan im kartographischen Sinne. Das Wetter hatte sich inzwischen beruhigt und so konnte es bei bester Laune losgehen auf eine geführte Fahrt durch das Poldergebiet nahe Schwedt, zwischen der kanalisierten (West-)Oder und der fließenden Ostoder an der polnischen Grenze. Unser Exkursionsleiter hieß Volker, in Persona der Vorsitzende des SSV und ein sehr wissender Naturkundler. Er ist einer der wenigen, die Führungen durch das Odertal machen dürfen. Er führte uns 12 Km durch das NSG und erklärte uns engagiert über Flora und Fauna auf, wohl assistiert von seiner Frau, die uns dann die Turmdeckelschnecke, die Wasserminze und vieles mehr aus dem Wasser angelte.
Volker erklärt die Natur im Polder
Diese geführte Tour in das NSG ist etwas Besonderes, weil sie zeitlich befristet halt nur von autorisierten Personen angeboten wird und weil das NSG sich selber überlassen wird und damit die Befahrung in Zukunft durch Verkrautung, umgekippte Baumstämme, etc. immer schwieriger wird. Einen erheblichen Anteil an der Verwilderung haben übrigens die Biber, die neben den Biberdämmen für 90% der abgestorbenen und umgestürzten Bäume verantwortlich sein sollen. Kormorane besorgen mit ihren Exkrementen den Garaus der restlichen 10% der Bäume. Wer also in das Revier möchte, sollte nicht bis zur Rente warten.
Biber zerstören Bäume
Zur Information: Das Odertal ist das Sumpfgebiet zwischen Ost- und Westoder und befindet sich mal auf polnischem, mal auf deutschem Staatsgebiet. Beide Länder praktizieren den Naturschutz im Odertal unterschiedlich. Im polnischen Gebiet wird kein Wasserregime geführt und die NSG-Gebiete (= Auen) sich selber überlassen. In deutschen Gebieten werden die NSG im Sommer zwecks Beweidung trockengelegt und im Winter geflutet (= Polder). Paddler können unter Beachtung der Sperrungen für Naturschutzgebiete die Auen und Polder in kleinen Gruppen grenzüberschreitend befahren.
Kormorane zerstören Baum mit ihren weißen Exkrementen
Am Samstagabend wurde, diesmal bei bestem Wetter, unser Zeltlager direkt am Wasser errichtet. Der Zeltplatz liegt sehr stadtnah direkt neben einer sehenswerten Oder-Bogenbrücke, die nachts nett illuminiert ist.
Beleuchtete Bogenbrücke mit Spiegelung im Wasser
Nach einer kleinen Nahrungsaufnahme-Suchodyssee mit integrierter Stadtbesichtigung, landeten wir schließlich wieder beim Pizzamann, mit Blick auf die Oder und der beleuchteten Bogenbrücke. Die Stimmung war ausgelassen und vergnügt und die Strapazen des Vortags völlig vergessen!
Abendstimmung am Campingplatz mit beleuchteter Brücke
Am Sonntag gab es, wieder bei bestem Wetter, noch eine kurze Abschlussfahrt durch die polnischen Oder-Auen zwischen Mescherin und Gryfino. Das war vorläufig unsere letzte grenzüberschreitende Erfahrung, bevor es zurück nach Hause ging.
Ablegen zur Abschlussfahrt
Es war eine tolle, lohnenswerte Fahrt in ein interessantes Revier. Die Gruppe war super, mit erkennbarem Potenzial für weitere Grenzüberschreitungen. Ein besonderer Dank geht an Martin, der zu dieser Fahrt eingeladen hatte.
Mit besten Grüßen, Gerard
(der zum ersten Mal im Leben – und das gleich mehrfach! - in Polen war.)
Text: Gerard
Bilder: Simone, Kerstin, Roya, Martin